BerlinInfo Nr. 71

26. März 2021
Liebe Politikinteressierte,
was für turbulente Tage!
Zunächst die Bund-Länder-Konferenz am Montagnachmittag, mit Beschlusslage am frühen Dienstagmorgen. Dann kam eine Neubewertung der "Osterruhe" am Mittwoch, inklusive der folgenden Regierungsbefragung an unsere
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Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der sie die "Fehlentscheidung", die Ostertage zu einem erweiterten Lockdown auszurufen, komplett auf sich nahm. Medien und soziale Netzwerke zerrissen sich zwischen "große Geste" und "Eingeständnis von Schwäche".
Ebenfalls auf den sozialen Netzwerken entbrannte eine Diskussion darüber, dass in Deutschland kein Fortschritt aus der Pandemie heraus erkennbar ist, die EU zu wenig Impfstoff bestellt hat, und die Ausgangssperren deshalb noch lange nicht aufgehoben werden können. Die aktuelle Diskussion möchte ich deshalb in dieser Woche in meiner Kolumne aufgreifen und Ihnen noch einmal die Datenlage aufzählen. Aber dazu mehr im nächsten Beitrag.
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Im politischen Berlin sind unsere Sitzungswochen nun allgemein sehr dicht und vollgepackt- man merkt, dass sich die 19. Wahlperiode langsam dem Ende zu neigt. Insgesamt noch sechs Sitzungswochen sind bis zur Sommerpause im Kalender verzeichnet. Bis dahin müssen wir unsere Agenda, die laufenden Verfahren und Gesetze, die wir uns für diese Wahlperiode vorgenommen haben, "abgearbeitet" haben. So kam es zu Stande, dass am
Donnerstagabend das Plenarende nach 03:30 Freitagmorgen angedacht war. Die Plenardebatten sind in dieser Woche aber sehr differenziert abgelaufen und es wurde auch ein Ausblick auf "nach der Pandemie" gewagt. Wie muss sich die EU allgemein aufstellen? Welche Strukturen haben sich in Krisenzeiten gezeigt, die verbessert/verschlankt werden müssen? Einen kurzen Überblick über die Plenardebatte von Donnerstag können Sie hier bekommen:
Nun wünsche ich Ihnen und Ihnen Lieben aber zunächst einmal ein schönes Wochenende und einen guten Start in die Karwoche, sowie ein geruhsames Osterfest. Passen Sie gut auf sich auf und bleiben Sie gesund!
Viel Spaß beim stöbern in dieser Berlin Info wünscht Ihnen
Ihre
mheil
Lampenladen
Bitte nicht zu viel Schwarzmalerei

Deutschland und die Welt befinden sich seit mittlerweile über einem Jahr in der schwersten Naturkatastrophe seit der Spanischen Grippe am Ende des 1. Weltkriegs. Der Umgang mit der Pandemie bringt ungeahnte Herausforderungen mit sich und natürlich gibt es bei der Pandemiebekämpfung Dinge, die gut gelaufen sind und solche, die schlechter gelaufen sind. Bei einer Sache, die besonders schlecht gelaufen ist, haben wir in dieser Woche erlebt, wie eine Bundeskanzlerin sich ehrlich und aufrichtig entschuldigt hat. In der Gesamtbetrachtung der letzten zwölf Monate muss man aber sagen, dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. In der öffentlichen Diskussion spiegelt sich das allerdings kaum mehr wieder. Dort hat man den Eindruck, das Land sei am Abgrund – oder schon einen Schritt weiter. Nein, ich möchte nicht die bestehenden Probleme rosa übertünchen. Aber ich warne auch davor, alles schwarz zu malen. Man kann eine Depression, wirtschaftlich wie psychisch, auch herbeireden.
Ich glaube unser Kernproblem liegt aktuell darin, dass es in Deutschland eine verbreitete Mentalität gibt, dass wir „Weltmeister“ in allem möglichen seien. Irgendwie besser als der Rest der Welt. In manchen Dingen ist das vielleicht auch so, aber eigentlich sind wir ganz normal – ein Glück! In der ersten Phase der Pandemie lief es in Deutschland tatsächlich besser als in den meisten anderen Ländern. Das hatten wir, daran sei auch einmal erinnert, in erster Linie dem beherzten Eintreten der Bundeskanzlerin für einem frühen und klaren Lockdown zu verdanken. Zwischenzeitlich hat sich die Lage „normalisiert“.
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Auch Deutschland hat nun sichtbare Probleme im Umgang mit der Pandemie. Und zwar genau wie die meisten anderen Länder auch. Aus den Medien kann man aktuell den Eindruck gewinnen, in Deutschland sei alles Katastrophe und um uns herum laufe alles perfekt. Mit der Wirklichkeit hat das allerdings wenig zu tun.
In Großbritannien sind die Impfzahlen höher als bei uns, das ist richtig. Allerdings hat Großbritannien bisher ganz überwiegend nur Erstimpfungen vorgenommen. Die Zahl der komplett durchgeimpften Menschen ist in Deutschland sogar höher als in Großbritannien. Und gleichzeitig hat Großbritannien seit Monaten und auch aktuell einen viel härteren Lockdown als Deutschland, eine wesentlich höhere Zahl an Toten und die wirtschaftliche Lage ist um Größenordnungen schlechter als in Deutschland. Möchte wirklich jemand tauschen? In vielen europäischen Ländern ist übrigens auch die Rate der Erstimpfungen niedriger als in Deutschland. Ein Blick in die USA zeigt, dass dort in manchen Bundesstaaten die Schulen seit einem Jahr fast ununterbrochen geschlossen sind. In Tschechien liegt die Inzidenz seit Monaten zwischen 400 und 800 und die Bestatter kommen mit der Arbeit gar nicht mehr hinterher. Von der katastrophalen Lage in Brasilien gar nicht zu sprechen. Die Pandemie ist eine historische Herausforderung – und Deutschland meistert sie nicht schlechter als andere Länder.
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Tatsächlich gibt es in der Krise auch Erfolgsgeschichten in Deutschland. Wir haben die erste Welle mustergültig gebrochen, wir haben in Rekordzeit Impfstoffe entwickelt und wir haben Wirtschaftshilfen in einmaligem Umfang mobilisiert – das ist übrigens nur möglich, weil wir vor der Pandemie jahrelang extrem erfolgreich gewirtschaftet haben. Die Inzidenz- und Todeszahlen bei den Risikogruppen, den Alten und Kranken, gehen aktuell zügig zurück, was ein Erfolg von Eindämmungsmaßnahmen und Impfkampagne ist. Im April werden uns über 15 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen, um die Impfungen auszuweiten. Man muss es immer wieder betonen: Nur die Impfungen werden uns zuverlässig aus der Krise führen. Dafür brauchen wir genügend Impfstoff und der muss dann zügig vor Ort verimpft werden – das ist mein Maßstab für die nächsten Monate. Wir machen aber auch im Kleinen weiter und arbeiten an den Details: Gaststätten, die an Unternehmen angeschlossen sind, erhalten jetzt auch Hilfen, selbst wenn das Unternehmen insgesamt gesund ist. Damit helfen wir z.B. Vinotheken von Weingütern und Straußwirtschaften. Alles gut also in Deutschland? Natürlich nicht! Aber auch kein Anlass, für exzessive Schwarzmalerei.
Es zeigt sich allerdings, dass die politische Entscheidungsfindung, in ihrer bisherigen Form, bei der langen Dauer der Pandemie an ihre Grenzen kommt. Die Probleme der Ministerpräsidentenkonferenz zu Beginn dieser Woche haben das deutlich gezeigt.
Armin Laschet und Markus Söder haben auf den Reformbedarf eindringlich hingewiesen. Ostern ist das höchste Fest der Christenheit, eine Zeit auch der Selbstreflektion. Wir werden in diesem Jahr die Zeit nutzen müssen, darüber nachzudenken, wie wir auf der Ebene des Bundes und der Länder die Dynamik unseres Umgangs mit der ersten Welle zurückgewinnen können. Es stimmt allerdings schon jetzt nicht, dass kein Spielraum vor Ort bestünde, um lokal angepasste Maßnahmen zu ergreifen und aktiv zu werden. Ich nenne einmal als Beispiel zwei Städte, die sehr erfolgreich in der Pandemie agieren: Rostock und Tübingen. Wer meint, wenig Handlungsspielraum zu haben, der möge sich diese Beispiele bitte einmal genauer ansehen.
Tübingen und Rostock können etwas – Deutschland kann es auch. Ärmelhochkrempeln gilt nicht nur beim Impfen. Jammern wir weniger und packen es an, auf allen Ebenen!
Gespräch mit dem Wirtschaftsrat über die Lage der Innenstädte

In dieser Woche habe ich mich weiter intensiv mit der Situation in unseren Innenstädten beschäftigt. Die bereits vor Corona bestehenden Probleme des Handels in den Innenstädten, insbesondere durch die Online-Konkurrenz, werden jetzt durch die Pandemie verstärkt und beschleunigt. Darüber hinaus sind nun auch andere Bereiche, z.B. Gaststätten und Hotels, zumindest einmal für die Dauer der Corona-Krise betroffen. Für uns im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen ist natürlich besonders interessant, was Stadtentwicklung und Raumordnung dazu beitragen können, diesen ungesunden Trend zu stoppen. Ganz wichtig sind dabei die Impulse von den direkt Betroffenen - und zwar insbesondere solche Ideen, die über die reine Wirtschaftsförderung hinausgehen, die ja die Kollegen im Wirtschaftsbereich beackern. Deshalb habe ich mich über die Einladung des Wirtschaftsrats der CDU gefreut, mit dem ich in dieser Woche darüber (online) sprechen konnte. In der Runde waren sowohl Manager großer deutscher Filialisten vertreten, als auch Inhaber von mittelständischen Unternehmen. Es gab einen bunten Strauß an Ideen, sowohl solche die langfristig wirken könnten als auch kurzfristiger umsetzbare Vorschläge. Das muss natürlich alles gut durchdacht und abgewogen werden, aber einiges
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davon wird sicherlich dann auch Thema bei kommenden Koalitionsverhandlungen sein. Erleichtert wird die Arbeit dadurch, dass sich beim Ziel - Erhalt lebendiger Innenstädte - eigentlich alle einig sind. Es geht also um einen Wettbewerb der besten Ideen.
(Symbolbild aus einer Zeit vor Corona.)
Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringern
Deutschland will bis 2030 seine Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 senken. Um dieses Ziel zu erreichen, kommt es auf den Verkehrssektor an, der den drittgrößten Anteil an den Treibhausgasemissionen insgesamt einnimmt. Die Unionsfraktion verfolgt dabei einen technologieoffenen Ansatz, der nicht nur Elektromobilität, sondern auch regenerative Kraftstoffe in
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den Blick nimmt. Aus diesem Grund haben wir diese Woche ein Positionspapier verabschiedet: "Durch Erzeugung und Nutzung regenerativer Kraftstoffe den Klimaschutz stärken". Unsere Emissionsbilanz im Verkehrssektor ist unzufriedenstellend. Das Niveau an Treibhausgasemissionen hat sich in den vergangenen 30 Jahren fast nicht verändert. Ein wachsendes Verkehrsaufkommen und höhere Verkehrsleistung haben die erreichten Effizienzgewinne aufgefressen, und der Verkehrssektor weist mit 5,5 Prozent den geringsten Anteil an erneuerbaren Energien auf. Es ist also Zeit sich deutlich zu verpflichten und mehr Kraft für den Wechsel aufzubringen!
Insgesamt geht es darum, mehr Verkehr auf Schiene und Wasserstraßen zu verlagern und zugleich schrittweise die Energieabhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern. Wir müssen die Elektromobilität weiter entwickeln aber auch die Erzeugung von flüssigen und gasförmigen regenerativen Kraftstoffen. Deshalb wollen wir Kraftstoffe aus Biomasse oder strombasierte Kraftstoffe – beispielsweise aus Wasserstofffolgeprodukten – mehr fördern und ebenfalls in eine gute und leistungsfähige Anlade-Infrastruktur investieren.
In diesem Zusammenhang setzen wir deshalb auf die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung und die Einführung des Emissionshandels in den Bereichen Wärme und Verkehr. Besonders wichtig sind aber Investitionsanreize für regenerative Kraftstoffe. Deren Anteil müsse auf mindestens 20 Prozent erhöht werden.
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