BerlinInfo Nr. 67

29. Januar 2021
Liebe Politikinteressierte,
diese Woche war ganz schön viel los! Zunächst der Blick nach Rheinland-Pfalz: Es macht mich traurig und auch ärgerlich - Lehrerinnen und Lehrer haben in den letzten Tagen viel Zeit und Kraft darauf verwendet, den von Dreyer gewollten Sonderweg zum Wechselunterricht zu organisieren, denn am Montag sollten Schulen und KiTas wieder öffnen. Seit gestern ist klar, die Arbeit war umsonst. Dreyer folgt nun doch Angela Merkel und den anderen Ministerpräsidenten, Schulen und KiTas bleiben geschlossen. Eine vermeidbare Irritation mehr in einer Zeit, die für alle wahrlich nicht arm an Verunsicherung ist.
Außerdem möchte ich kurz Werbung in eigener Sache machen: Helge Braun wird am Sonntag beim Kreisverband Ahrweiler digital zu Gast sein! Da in Pandemiezeiten alles etwas anders ist, freue ich mich sehr, nach dem volldigitalen Parteitag den volldigitalen Neujahrsempfang mit meinen Kolleginnen und Kollegen Christian Baldauf, Horst Gies, Helge Braun und Petra Schneider zu gestalten. Sie sind herzlich eingeladen! Gestreamt wird online, diesen Sonntag um 11.00 Uhr, auf Youtube über www.cdu-aw.de. Schauen sie doch mal rein.
Helge Braun digi Neujahrsempfang
Nun der Blick nach Berlin: Diese Woche kamen wir Abgeordnete dann wieder unter den mittlerweile gewohnten pandemischen Bedingungen in Berlin zusammen und was ich erlebt habe, teile ich in wieder gern mit Ihnen. In meiner Kolumne habe ich heute einen Text für Sie verfasst, der mir wichtig ist: Wie gehen wir in Berlin mit der Corona- Krise um und wie schätzen wir die weiteren Maßnahmen ein?
Am Mittwoch haben wir eine bewegende Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus abgehalten. Gesprochen haben Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie ist Überlebende der Shoa. Ebenfalls gesprochen hat Marina Weisband, Publizistin und Vertreterin der jungen jüdischen Generation. Bewegende Worte! Den Link zur Veranstaltung finden Sie weiter unten in dieser Ausgabe.
Das, und was ich diese Woche noch so erlebt habe, können Sie in dieser neuen Ausgabe lesen. Viel Spaß dabei!
Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich ein schönes Wochenende, bleiben Sie gesund!
Ihre
mheil
Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit

„Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit“ ist ein bekanntes Zitat, das insbesondere unser langjähriger Fraktionsvorsitzender Volker Kauder gerne genutzt hat und dessen Ursprung im allgemeinen Kurt Schumacher zugeschrieben wird. Im fortschreitenden Verlauf der Corona-Krise muss ich immer öfter an dieses Zitat denken. Ich lese und höre jetzt vermehrt Äußerungen, bei denen diese Binsenweisheit offenbar eher weniger beachtet wird. Was meine ich damit? Es ist natürlich, dass der lang anhaltende Verlauf der Krise, ihre Rückschläge und Zumutungen, an den Nerven zehren. Und ich halte es für folgerichtig, dass dies zu einer verstärkten Diskussion um die Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie führt. Eine freiheitliche Gesellschaft und lebendige Demokratie muss diese Debatten, auch in verschärftem Ton, aushalten.

Schwierig wird es allerdings, wenn sich in eine berechtigte Diskussion zum Umgang mit der Pandemie immer wieder Töne mischen, die den Ernst der Lage insgesamt in Zweifel ziehen wollen. Ja, es ist bequemer, die Pandemie zu einer besseren saisonalen Grippe zu erklären. Dann müsste man nämlich kaum etwas tun, bräuchte nicht auf so Vieles zu verzichten und könnte sein Leben ungestört so weiterführen, wie es immer war. Allerdings kann diese Sichtweise nicht Teil einer ergebnisoffenen Meinungsdiskussion sein – sie lässt sich nämlich schlicht nicht mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung bringen. Naturwissenschaftlich breit getragene Fakten können wissenschaftlich untersucht werden und darüber kann es Gelehrtendispute geben. Wer sie aber ständig im Rahmen von öffentlichen Meinungsdiskussionen in Frage stellt, der erzeugt nur Verunsicherung und lenkt von der berechtigten Debatte zum Umgang mit der anhaltend schwierigen Situation ab.

Wie sieht die wissenschaftlich untersuchte Wirklichkeit bis Ende 2020 nun aus? Zwei Punkte werden ja gerne von interessierten Kreisen angeführt: Ist Sars-Cov-2 insgesamt relevant gefährlicher als ein saisonales Grippevirus und was sagt der Nachweis des Virus per PCR-Test über die Ausbreitung der Krankheit Covid-19 aus? Beides lässt sich anhand des traurigsten Ergebnisses der Pandemie untersuchen: der Todeszahlen bzw. der Übersterblichkeit. In der Region Bergamo in Italien, wo das Virus Anfang 2020 zum ersten Mal in größerem Umfang in Europa grassierte, betrug die Übersterblichkeit im Frühjahr 2020 etwa 180%. Das heißt, es starben fast dreimal so viele Menschen wie in einem durchschnittlichen Vergleichszeitraum. Das war auch kein Ausreißer zum Anfang der Pandemie oder bei „chaotischen Italienern“.
In Sachsen beispielsweise betrug die Übersterblichkeit im Dezember 2020 fast 100%. Wenn man in die Vergangenheit schaut, dann sieht man, dass in den letzten 40 Jahren die zweithöchste Sterblichkeit im heutigen Sachsen im März 1986 war, während einer starken Grippewelle unter den medizinischen Möglichkeiten der Achtziger Jahre in der DDR. Aber selbst im Vergleich mit dem zweitschlechtesten Monat in dieser langen Zeitreihe starben im Dezember 2020 über 40% mehr Menschen pro 100.000 Einwohner in Sachsen. Und wegen des Zeitverzugs zwischen Infektionen und Todesfällen werden die Zahlen im Januar 2021 wohl noch schlechter aussehen. Auffällig ist auch, dass überall auf der Welt zwischen dem Anstieg der festgestellten Infektionen und dem Anstieg der Todeszahlen ein enger statistischer Zusammenhang besteht.
Zitat
Es handelt sich bei dieser Pandemie um eine Naturkatastrophe von historischem Ausmaß. Weltweit sind mittlerweile über 2 Millionen Tote in Zusammenhang mit dem Coronavirus erfasst. Und das obwohl die Pandemie leider noch nicht vorbei ist. Damit haben die Todeszahlen bereits jetzt die der „Honkong Grippe“ von 1968-1970 und die der „Asiatischen-Grippe“ von 1957-58, mit jeweils ein bis zwei Millionen Toten weltweit, übertroffen. Von den Todeszahlen einer „normalen“ saisonalen Grippe sind sie mittlerweile weit entfernt. Man muss bis zur „Spanischen Grippe“ am Ende des 1. Weltkriegs zurückschauen, um eine Pandemie zu finden, die in ähnlicher Zeit weltweit mehr Tote gefordert hat. Niemand käme bei einer Sturmflut, einem Erdbeben oder einer Feuersbrunst auf die Idee, die Ursache für die Toten zu leugnen. Dabei ist der Unterschied zur Naturkatastrophe Viruspandemie lediglich, dass man sie schlechter sehen kann und dass sie sich länger hinzieht. Der langgestreckte Verlauf dieser Katastrophe ist wohl das, was noch besser vermittelt werden muss. Darum ist es auch lediglich ein guter Zwischenerfolg, wenn die Zahlen jetzt wieder deutlich sinken.

Anfang 2020 konnte man die Gefährlichkeit dieser Pandemie mangels genauerer Erkenntnisse noch in Zweifel ziehen. Wer dies Anfang 2021 noch tut, der tut das wider besseren Wissens. Privatpersonen können sich ein solches Verhalten prinzipiell erlauben. Auch wenn ich mittlerweile mehrere Beispiele kenne, wo Menschen diese Auffassung um 180 Grad gedreht haben, nachdem sie den Tod einer Verwandten oder eines Freundes miterleben mussten. Wer aber politische Verantwortung trägt, der ist verpflichtet, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen und danach zu handeln. Wer dies verweigert, der versündigt sich an unserem Land und seinen Menschen. Die Frage, die jeden verantwortungsbewussten Politiker im Augenblick umtreiben sollte, ist WIE wir mit dieser Situation umgehen, nicht OB wir angemessen darauf reagieren müssen. Ich hoffe, dass es gelingen wird, die wichtige Debatte über das Wie der Pandemiebekämpfung weiterhin so zu führen, dass sie die Wirklichkeit im Blick behält. Jede einzelne Einschränkung kann Gegenstand von Diskussionen sein. Aber dass wir uns auf absehbare Zeit weiterhin einschränken müssen, um Menschenleben zu retten, das ist nicht ernsthaft diskutabel. Und leider gehört es zur Wahrheit dazu, dass kein Wunder der Welt uns kurzfristig von diesem Problem erlösen kann. Es ist aber auch Teil der Wahrheit, dass es eine Zeit nach Corona geben wird, in der wir die Wunder der Welt wieder uneingeschränkt erleben können.
Rachel_Heil Abschiedsfoto_BI
Rachel Herrgen verabschiedet sich aus meinem Berliner Büro

Nach über fünf Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin endet zum 28. Februar meine Arbeit im Büro von Mechthild Heil. Ich habe in dieser Zeit Einblicke in interessante Themenbereiche gehabt und bin mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt gekommen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit vielen Bürgerinnen und Bürgern bei Fragen und Problemen helfen konnte.
Besonders interessant waren dabei natürlich der Zeitraum nach der Bundestagswahl 2017 und die Koalitionsbildung.
Für mich bricht ab März eine neue Zeit durch die Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle und die Rückkehr nach Rheinland-Pfalz an. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben, aber trotzdem gehe ich mit Wehmut. Die Arbeit im Team von Frau Heil hat mir immer große Freude bereitet und ich kann mir kaum ein angenehmeres Arbeitsumfeld vorstellen. Ich danke Frau Heil ebenso wie Johanna Becker und Sebastian Kohlhoff für die Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.
Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar
im Deutschen Bundestag
#weremember
Diesen Mittwoch hielten wir im Bundestag eine Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus ab. Die Gedenkreden hielten die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, als Überlebende des Holocaust und ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, sowie die Publizistin Marina Weisband, die als Kind im Zuge der Regelung für Kontingentflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kam und als Vertreterin der dritten Generation nach der Shoah sprach.
#weremember
Knobloch erzählte, wie sie als Kind die Zeit des Nationalsozialismus, die Ausgrenzung und die Verfolgung aufgrund ihrer "Andersartigkeit" erlebt hat. Wie sie die Verfolgung überlebte. Und wie in den sechziger- und siebziger Jahren das Bewusstsein im nicht-jüdischen Teil Deutschlands für die Verbrechen der Nazizeit wuchs und aufgearbeitet wurde. Wie sie heute "stolze Deutsche" sein und Deutschland für jüdische Gemeinden wieder "mit Hoffnungen verbundene Heimat" sein kann. Allerdings mahnte sie auch, den aktuell wachsenden Antisemitismus in Deutschland ernst zu nehmen. Antijüdisches Denken sei wieder salonfähig. Auch Marina Weisband wies darauf hin, dass es einer stärkere Achtsamkeit gegenüber den verschiedenen Formen von Judenhass bedürfe. Sie berichtete darüber hinaus, wie man als Nachfahre der verfolgten jüdischen Generation heutzutage immer auch ein Repräsentant dieser Schicksalsgemeinschaft bleibt und die Folgegeneration ohne lebende Zeitzeugen die Erinnerungen fortbestehen lassen müsse (Die Gedenkstunde gibt es zum Nachschauen auf dem Button unten links). Anlässlich zu dieser Gedenkstunde gibt es im Parlamentsgebäude auch eine Ausstellung über 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, die Sie online einsehen können (Button rechts).
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